PATINA
GesprächDer Wunsch, nicht zu altern, steht der Schönheit des gut Gealterten gegenüber. Wie altert zeitgenössische Architektur und mit welchem Ablaufdatum planen wir eigentlich?
Altern bedeutet Veränderung. Veränderung bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass etwas schlechter wird. In diesem Sinne ist die Entwicklung unterhaltsloser Gebäude eine Utopie, die den Lebenszyklus von Gebäuden ignoriert, und somit das falsche Ziel. Wer baut, muss den Lebenszyklus mitdenken und dazu gehört auch das Sich-Kümmern und Pflegen. Es liegt an uns, wie wir mit alter Bausubstanz umgehen und wie unsere heutige Materialwahl die Bausubstanz der Zukunft prägen wird. Altern bedeutet auch reifen. Dieser Reifeprozess kann veredeln und Schönes wird bekanntlich länger erhalten. Um diesen Themenkomplex zu beleuchten, laden wir die Restauratorin Lilian Marie Furrer, den Architekten Ramun Capaul und den Architekten und Bauforscher Thomas Mennel zum Gespräch ein. Ihre unterschiedlichen Perspektiven bieten einen umfassenden Einblick in die Herausforderungen und Chancen im Umgang mit Material und alter Bausubstanz.
Moderiert wird das Gespräch von vai-Direktorin Verena Konrad.
Die Veranstaltung findet in der CampusVäre statt, einem alten Industrieareal in Dornbirn, das derzeit zu einer „Werkstatt zur Entwicklung der Zukunft“ umgewandelt wird.
Ramun Capaul wuchs im Bündner Bergdorf Lumbrein im rätoromanischen Val Lumnezia auf, wo er heute wieder lebt. Er absolvierte sein Architekturstudium an der ETH Zürich. Im Jahr 2000 gründete er zusammen mit Gordian Blumenthal das Architekturbüro Capaul & Blumenthal in Ilanz. Zu ihren Bauwerken zählen die Umnutzung der ehemaligen Pferdeschmiede in die Kulturstätte Cinema Sil Plaz in Ilanz, die Restaurierung und Revitalisierung des Türalihuus in Valendas für die Stiftung »Ferien im Baudenkmal« sowie die Erweiterung der Chamanna Cluozza im Schweizerischen Nationalpark. Ihre Arbeiten wurden unter anderem mit dem »Swiss Art Award«, dem »European Prize of Architecture Philippe Rotthier« und dem »Constructive Alps«, dem internationalen Preis für nachhaltiges Bauen und Sanieren in den Alpen, ausgezeichnet. Sie unterrichteten an der Rhode Island School of Design in Providence, USA, an der EPFL in Lausanne und an der Architekturfakultät der Hochschule Biberach in Deutschland. Ramun Capaul ist Vorstandsmitglied des Bündner Heimatschutzes, welcher sich für den Erhalt und die sorgsame Weiterentwicklung des baukulturellen Erbes engagiert.
Mag.a Lilian Marie Furrer ist Restauratorin und Industriedesignerin. Ihre Arbeit lässt sich interdisziplinär zwischen den beiden Spannungsfeldern des wissenschaftlichen Erhalts von Kunst und Kulturgut und der Konzeption neuer Produkte mit Schwerpunkt auf Langlebigkeit und gesellschaftlicher Relevanz verorten. Ursprünglich aus der Schweiz, bildeten die Grundlage für ihre Tätigkeit ihre beiden Studien an der Universität für angewandte Kunst Wien im Bereich Konservierung & Restaurierung und Industrial Design. Heute befindet sich ihr Arbeits- und Lebensmittelpunkt in Vorarlberg und Wien, wo sie vergangenes Jahr das Studio z57 mitbegründete.
Thomas Mennel, geboren 1971 in Österreich. Studium der Architektur an der Technischen Universität in Wien. Während des Studiums in den Jahren 1991−1998 Mitarbeit im Büro Hermann Kaufmann. Ab 2000 Mitarbeit im Büro fasch&fuchs in Wien bis 2009, unter anderem als Projektleiter beim Kindermuseum in Graz. Parallel dazu entstehen gemeinsam mit Reinhard Muxel kleinere Bauten, Projekte für Kulturinitiativen und Designobjekte in Zusammenarbeit mit Handwerker|innen. 2005 erfolgte der Abschluss des Studiums mit einer theoretischen Arbeit zur Phänomenologie der Wahrnehmung von Merleau-Ponty unter dem Titel »Architektur und Leib, Die Ungewissheit der Standpunkt«. Seit 2009 arbeitet Thomas Mennel neben seiner Tätigkeit als Architekt im Büro gbd projects ZT GmbH als Fassadenplaner für unterschiedliche Architekten, seit 2012 als leitender Geschäftsführer. Mit Georg Bechter entwickelte er 2012 ein neues CI für die Bäckerei Mangold in Vorarlberg. Im Zeitraum 2013−2023 werden anhand dieses CI ca. 30 Filialen adaptiert, saniert oder als Neubau realisiert. Gleichzeitig ist er in der Hausforschung im ländlichen Raum tätig. Basierend auf Untersuchungen historischer Bausubstanz zur Hausformenentwicklung mit Dr. Klaus Pfeifer (Labor für Holzforschung und Holzaltersbestimmung) werden Materialanwendungen, Verarbeitungsmethoden, Stilentwicklungen dokumentiert und zeitlich zugeordnet. Ergebnis dieser Tätigkeit sind wissenschaftliche Beiträge zu Hausentwicklung, Typologie und handwerklichen Anwendungen, speziell im Bregenzerwald und im Montafon. In diesem Zusammenhang erfolgt die Fokussierung auf Sanierungsprojekte mit zeitgemäßen Interventionen bei gleichzeitiger Wahrung werthaltiger, historischen Bauteile und Raumsituationen. Die Erneuerung der alten Substanz, die Wiederverwendung von vorhandenen Bauteilen, die Kombinationen und Neuinterpretationen verschiedenster Handwerkstechniken führt zu attraktiven Ergebnissen im Materialeinsatz und in der Gestaltung.
Das perfekte Pairing zum Thema bietet Diplom-Biersommelier Alexander Dibiasi mit gut gealterten Bierspezialitäten, dazu Kulinarik aus veredelten und gut gereiften Zutaten.
Begleitet wird der Abend von Erlesenem aus dem Plattenkoffer von DJ Tough Thomson (6Ts Beat, Funk’n’Soul & Ska)
Mag. Alexander Dibiasi, geb. 1983 in Feldkirch, ist Film- und Politikwissenschaftler, widmet sich aber seit vielen Jahren dem facettenreichsten Getränk überhaupt; ist seit 2022 Diplom-Biersommelier und bietet als »Das Weisse Opossum« private Bierseminare an; seit 2020 ist er Teil des Kollaborationsbrauprojektes Gäriatrie und bereits seit 2018 für die Brauerei Frastanz als Biersommelier und Craft Beer-Experte tätig;