Baukulturgemeinde-Preis 2012
"Architektur besteht nicht im Häuserbauen, sondern in der Gesinnung", konstatierte Goethe - und Baukultur ist mehr als Bauen! Baukultur heißt Räume zu schaffen, die dem Einzelnen Identifikation erlauben und Entfaltung ermöglichen: Stadt- und Dorfräume, öffentliche und Privaträume, Außen- und Innenräume, die lokale Identität schaffen und zugleich offen bleiben für Zukunftsentwürfe.
Die Ausstellung zeigt, Baukultur in den Gemeinden gelingt vor allem in einem Umfeld, das von hoher Sensibilität für die Qualität unserer Häuser, Straßen, Plätze und Parks gekennzeichnet ist und in dem das Bewusstsein vom Wert der Gemeinschaft vorhanden ist. Unter diesen Vorzeichen entstehen nachhaltige Räume mit gestalterischem Anspruch, ökologischer Verträglichkeit und vielseitigem Lebenswert - Plätze zum Wohlfühlen, Orte für Begegnungen, Gespräche, Rituale und Geschichten.
LandLuft, der Verein zur Förderung von Baukultur im ländlichen Raum und der Österreichische Gemeindebund haben dieses Jahr wieder Gemeinden ermuntert, ihren baukulturellen Entwicklungsstand vorzustellen. Zum zweiten Mal - erstmalig 2009 - rückt damit der LandLuft Baukulturgemeinde-Preis erfolgreiche Beispiele aus Österreich in den Mittelpunkt.
Zeitgleich wird aus diesem Anlass auch die Wander-Ausstellung mit den nominierten Beispielen innovativer Baukultur eröffnet. Im Zentrum stehen dabei weniger die Bauwerke selbst, als vielmehr die Menschen dahinter, die treibenden Kräfte einer gelebten Baukultur. Aus den zahlreich eingegangenen Bewerbungen hat die interdisziplinäre Expert|innenjury unter dem Vorsitz von Universitätsprofessor Roland Gnaiger 13 Gemeinden aus sieben Bundesländern nominiert. Acht von ihnen wurden am 8. November 2012 in Wien bei der Vergabe des österreichischen LandLuft Baukulturgemeinde-Preises für ihr Engagement, ihre Innovationsbereitschaft und Zukunftsorientierung ausgezeichnet: Die Gemeinde Lauterach in Vorarlberg ist - neben Hopfgarten (Osttirol) und Ottensheim (Oberösterreich) - einer der Preisträger, die Vorarlberger Gemeinden Hittisau, Klaus und Röthis erhielten je eine der insgesamt fünf Auszeichnungen.
Aus den Bewertungen der Expert|innenjury unter dem Vorsitz von Univ. Prof. Roland Gnaiger, Kunstuniversität Linz, ergeben sich folgende Profile:
Lauterach (Preisträger)
Lauterach im Vorarlberger Rheintal, zwischen Bregenz und Dornbirn gelegen, ist die am schnellsten wachsende Gemeinde Vorarlbergs. Ursprünglich bäuerlich strukturiert, bringt das rasante Wachstum seit den 1970er Jahren große Herausforderungen: Einerseits musste mit den kommunalen Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Seniorenwohnungen, Wasserversorgung, Abwasserentsorgung und der Struktur der Verwaltung mitgezogen werden, andererseits haben sich die Struktur des Ortes und das soziale Gefüge massiv verändert. Konzepte für die zukünftige Gemeindeentwicklung vom Bauen über Soziales und Umwelt bis hin zum Verkehr wurden gemeinsam mit Expert|innen und Betroffenen erstellt. An die Qualität der Architektur stellt die Kommune mit dem seit 1991 bestehenden Gestaltungsbeirat höchste Ansprüche.
Bei etwa 4.000 Arbeitsplätzen und 9.600 Einwohner|innen ist es ihnen gelungen, ein ausgeprägtes Dorfzentrum mit Gemeindeamt, Post, Geschäften und Büros zu entwickeln. Grünflächen wird ebenso viel Bedeutung geschenkt wie einem durchdachten Verkehrskonzept. Mit einer zukunftsorientierten Energiebilanz, motiviert durch das e5 Programm des Landes Vorarlberg, wird konsequent am Ziel der Nachhaltigkeit gearbeitet. So entstand beispielsweise das Biomasseheizkraftwerk, das die Abwärme im Gewerbegebiet vorteilhaft nutzt.
Hittisau
Die ursprünglich bäuerlich strukturierte Gemeinde im Bregenzer Wald sprüht vor Vereins- und Kulturaktivitäten. Volle Gasthäuser, Nahversorger für den täglichen Bedarf sowie das Feuerwehr- und Kulturhaus mit seinem mutigen Frauenmuseum im Ortskern zeugen von gelebter Baukultur. Vor allem die ganzheitliche Holzkultur ist in Hittisau nahezu überall erlebbar. Aus einem städtebaulichen Wettbewerb ging die Altstoffsammelstelle und das erste Projekt zum Betreuten Wohnen im Bregenzer Wald hervor. Die Wohnanlage im Zentrum hat mittlerweile Vorbildwirkung für die Region. Die engagierte Teilnahme am e5-Programm für energieeffiziente Gemeinden in Vorarlberg bescherte der Gemeinde den European Energy Award in Silber. Als nächstes ist der Bau eines Gründerzentrums geplant, bei dem – wie auch bisher – auf regionale Wertschöpfung geachtet wird.
Klaus
Klaus ist eine der Vorderland-Gemeinden des Rheintals mit hoher Wohn- und architektonischer Qualität der Gebäude im Betriebsgebiet am renaturierten Klausbach. Besonders der Stammsitz der Firma Omicron ist dabei hervorzuheben. Die vorbildliche Gestaltung findet im Dorf durch den Schulneubau ihre Fortsetzung. Zeitgemäße Lern- und Lehrmethoden haben im ersten konstruktiven Holzbau für eine Schule, und das noch in Passivhausstandard, optimale räumliche Voraussetzungen. Die zur Straße hin orientierte öffentliche Bibliothek wird intensiv genutzt. Bereits im Jahr 2002 richtete Klaus einen Fachbeirat ein, dem alle Bauvorhaben, auch die kleinsten, vorgelegt werden müssen. Ein notwendiges Verkehrskonzept, das den Rückbau der Durchzugsstraße und Neuplanung des öffentlichen Raumes vorsieht, ist derzeit in Arbeit.
Röthis
Ebenfalls eine der Vorderland-Gemeinden des Rheintals, geht Röthis einen gemächlichen, nachhaltigen Weg der Gemeindeentwicklung. Als Hauptverkehrspunkt des Vorderlandes achtet der begehrte Wohnort auch auf den Klimaschutz. Alte Traditionen wie der Weinbau, das Landschaftsbild mit Streuobstwiesen und Trockenmauern werden wiederbelebt. Letztere wurden beispielsweise in einem Sozialprojekt mit beschäftigungslosen Jugendlichen saniert.
Die Zentrumsbildung wurde durch den Neubau des Kindergartens, des Musikhauses und des Sozialzentrums Vorderlandhaus verstärkt, an der die Bevölkerung mit der Aktion „Vision Dorfmitte° maßgeblich beteiligt war. Mittlerweile ist zeitgemäßes Bauen kein Thema mehr in Röthis – auch der Umbau eines Stalls zu einem Architekturbüro, Einfamilienhäuser sowie Bürogebäude im Betriebsgebiet „Interpark Focus" belegen dies. Ebenso positiv wirken sich Grundankäufe der Gemeinde für verkehrsberuhigte öffentliche Räume, der seit 1992 aktive Gestaltungsbeirat und die geladenen Architekturwettbewerbe für kommunale Bauvorhaben aus.