Wir trauern um Leopold Kaufmann
„Leopold Kaufmann war ein stiller und kritischer Beobachter der Architekturszene, besonders auch der jüngeren, in Vorarlberg. Selten, aber dann aus guten Grund, meldete er sich zu Wort, meist in Brief- oder Postkartenform und lieferte damit Anlass für eine Debatte, ein Umdenken, das Einnehmen einer neuen Perspektive. Ab und zu schaute er im Architektur Institut vorbei, einfach so, bei Veranstaltungen, manchmal auch bei Eröffnungen und dann mit einem Rucksack am Rücken und den Busfahrzeiten zurück nach Bezau im Kopf. Seine Anregungen waren immer liebevoll, immer wohlmeinend und immer bereichernd. Wir werden ihn sehr vermissen.“
Verena Konrad, vai Vorarlberger Architektur Insitut
„Die Technik ist veraltet, im Sommer regnet es herein und im Winter ist es kalt. Als wir die Tür zum Fotostudio Hiller in Bezau das erste Mal öffneten, war klar: es ist Zeit für etwas Neues.
Nicht für das Studio, sondern für unseren Weg als junge Architekten. Wir haben das Glück, im Erstlingswerk von Leopold Kaufmann arbeiten zu dürfen. Noch sechzig Jahre später lassen sich in jeder Ecke Wagemut und Sturheit, aber auch Sorgfalt und Hingabe des eigensinnigen Mannes mit Hut erspüren. Es war der Geist des Anfangs, der uns mit Leopold erstmals verband. Sein stetes Interesse an allen Menschen und Dingen begleitete auch uns, und nun sind es seine Spuren, die uns nachhaltig prägen.“
Markus Innauer und Sven Matt, Innauer Matt Architekten
Diese Spuren Leopold Kaufmanns sind in Vorarlberg an vielen Orten zu finden – in Kirchenbauten, man denke an die Kirche und Aufbahrungskapelle in Lech, an öffentliche Gebäude und Einrichtungen, z.B. das Seniorenheim Sulzberg, das Silvrettahaus Bielerhöhe oder das Pfadfinderheim in Dornbirn, an Seilbahnen wie die Golmerbahn oder die Karrseilbahn in Dornbirn und nicht zuletzt an die Tennishalle und die Zubauten zum Hotel Post in Bezau, in das Leopold Kaufmann dereinst eingeheiratet hatte und das er nach dem frühen Tod seiner Frau bis zuletzt neben seinem Architekturbüro im Blick hatte, auch wenn er es längst seiner Tochter Susanne in die Hände gelegt hatte und aktuelle Umbauten Projekte seines Sohnes Oskar Leo waren.
Leopold Kaufmann entstammte einem bedeutenden Holzverarbeitungsbetrieb, den sein Vater Hermann führte. Ihm hatte der Vater – nach Praktika im eigenen Betrieb und einer einschlägigen Lehre – den Architektenberuf zugedacht. Nach einem Studium an der Technischen Hochschule in Graz kehrte Leopold Kaufmann in seinen Heimatort Reuthe, wo er 1932 geboren worden war, zurück. Mitgebracht hatte er zwei Studienkollegen, Helmut Eisentle und Bernhard Haeckel, und zu dritt begannen sie sogleich im Haus des Vaters mit den Entwürfen der Kirchenerweiterungen von Brand und von Reuthe. Es folgte – nun schon allein – die Errichtung des lange umstrittenen Jagdhauses in Hinterreuthe, bei dem sich sein Verständnis des Holzbaus bereits in großer Kunstfertigkeit manifestierte.
Leopold Kaufmann begann seine Arbeit stets mit einer Analyse, dem genauen Blick auf die einflussreichen Elemente des Ortes, die die Gewichtung der Entwurfsziele bestimmten. Die Einfügung in die Kontur des Landschaftsraumes, das Maßstabnehmen, die Wahl der Farben, Texturen, Materialien waren ihm ein Anliegen wie auch der Dialog mit dem historischen Kontext, die Auseinandersetzung mit zeitgeschichtlich und auch künstlerisch zu vergleichenden Aspekten.
Das Raumprogramm war immer nur ein erster Anhaltspunkt, nicht unumstößlich, vielmehr veränderbar, wenn es sinnvoll und erforderlich war. Die entstehende Form folgte nicht blind einer Funktion, sondern die Struktur war das Ziel. Die räumlichen Entwurfsvorstellungen, die beabsichtigte Bauform des Baukörpers vernetzte er schon früh mit den Mechanismen der Transformation in physische Realität, also mit den konstruktiven Möglichkeiten in Korrelation von Bautyp, Materialisierung und physikalischer Notwendigkeit. All dies wirkte zurück auf das Entwurfskonzept.
Die gemeinsame Verwendung von strukturell ähnlichen, wesensmäßig aber so unterschiedlichen Materialien wie Holz und Stahl, wurde pragmatisch, statisch und physikalisch erklärt, durch den Bauprozess und den Aspekt der Wirtschaftlichkeit. So entstand die Tennishalle in Bezau zur Gänze aus Holz mit gebogenen Bindern, die die große Spannweite – wie er erläuterte – am besten überbrücken; so wurden die Seilbahnen in ihrem Materialmix den klimatischen und thermischen Gegebenheiten angepasst.
Was hat er den Nachfolgern mitgegeben, als Mensch, als Architekt, als im besten Sinne Konservativer und zugleich „Moderner“? Er verstand sich immer als Mitglied einer kulturell und weltanschaulich definierten Gesellschaft, einer Wertegemeinschaft, die dem Einzelnen die Verantwortung für übernommene Aufgaben übergibt, ihn als Verwalter des Bauherrn in der an ihn übertragenen Arbeit sieht, die Mitarbeiter in die Pflicht nimmt und ihnen dennoch den größtmöglichen persönlichen Freiheitsgrad zugesteht. Und zu den gewonnenen An- und Einsichten hat jeder – auch in der Öffentlichkeit – zu stehen, hat die Pflicht, diese seine Position auch zu kommunizieren, so seine Haltung.
Auch hier ist es die Suche nach strukturiertem Vorgehen, nach ordnenden Maßnahmen, Gewichtungen. Die Ordnung im unmittelbaren Arbeitsumfeld entspricht der Ordnung der Gedanken. Kreative, schöpferische Arbeit entsteht nicht nur durch Muße, sie braucht Engagement und genauen Blick und eine gewisse Zähigkeit, Regelmaß und Kontinuität. All dies hat Leopold Kaufmann und seine Arbeit zeitlebens ausgezeichnet.
Wir danken Erich Gottfried Steinmayr für das Überlassen seines Manuskripts einer Laudatio für Leopold Kaufmann, gehalten am 6. Dezember 2007, und Claudia Mazanek für die Unterstützung bei der Verarbeitung der daraus entnommenen Textteile zu einem neuen Text.
Im Portrait | Leopold Kaufmann
Aro Film, Redakteurin Dr. Ingrid Adamer, im Auftrag des vorarlberg museums, 2017